Eine Expediton mit der FS "Polarstern" von Kapstadt nach Bremerhaven

Im Jahr 1989 nahm ich am Fahrtabschnitt ANT VII/5 (Fahrtleiter: Prof. Dr. W. Ernst) des deutschen Polarforschungsschiffes "Polarstern" teil. Die Fahrtroute führte das Schiff in dreieinhalb Wochen vom Ausgangshafen Kapstadt durch den Atlantik zurück in seinen Heimathafen Bremerhaven.

Vor Fahrtbeginn hatten viele Kollegen einen Kurzurlaub in Südafrika verlebt, so dass die ersten Stunden an Bord bei der Schilderung der vielen Eindrücke wie im Flug vergingen.

FS "Polarstern" Nachdem die "Polarstern" den Hafen Kapstadts verlassen hatte, kämpfte sie bei Windstärke 6 schlingernd und schaukelnd gegen die lange Dünung des Atlantiks an. Die beständige Schaukelei des Schiffes gestaltete die Installation der Gerätschaften und das Einrichten der Laborräume nicht einfacher und so manche Landratte beschlich ein flaues Gefühl in der Magengegend. 
Unsere Fahrtroute verlief in einer Entfernung von etwa 200 Seemeilen an der westafrikanischen Küste mit Kurs Nord/Nordwest in Richtung des Angola-Beckens. Das Wetter wurde mit zunehmender Nähe des Äquators immer besser und der warme Passatwind blies uns warm ins Gesicht.
Die Sinkstofffalle wird an Bord gehievt

Ohne Probleme erreichte die "Polarstern" die ersten Probenahmestationen, an denen die verschiedensten Gerätschaften zum Einsatz kamen.So wurde z.B. im Angola-Becken nach einer dort während der letzten Rückreise (vor 1 Jahr) verankerten Sinkstofffalle gesucht. Aufgrund des an ihr angebrachten Senders konnte ihr Standort leicht ausgemacht werden. Das Einholen der rund 1500 m langen Apparatur hatte schon was, aber das Ausbringen einer neuen Falle war auch nicht minder aufregend. Mit der Schwimmboje im Schlepptau entfernten wir uns langsam mit einem Schlauchboot von der Polarstern, das "lange Ende" hinter uns herziehend. Nachdem wir uns fast 1,5 km von der Polarstern entfernt hatten, ließen wir das "untere" Ende ins Wasser gleiten. Das Gewicht der hieran befestigten Eisenbahnräder ließ die gesamte Apparatur sofort im Meer versinken.

Der Neustonschlitten gleitet im ruhigen AtlantikMühsames Einholen des Neustonschlitten bei Windstärke 7


Parallel zu diesen Aktivitäten wurden diverse Experimente durchgeführt. So entnahm man mit großen Wasserschöpfern (ca. 400 Ltr. Inhalt) aus verschiedenen Tiefen Proben, die dann anschließend im Labor auf ihren Pestizid- und/oder Schwermetallgehalt  untersucht werden sollten. Natürlich kam auch der Neustonschlitten zum Einsatz, der bei langsamer Fahrt vom Schiff gezogen wurde. Er besteht aus Aluminium und sieht wie ein Katamaran aus. Zwischen den beiden Schwimmern sitzen die Fischnetze, mit denen man die oberen 30-40 cm der Wassersäule "abfischt". Nach jeweils 15 Minuten wurde der Katamaran wieder an Deck gehievt und der Inhalt der Netze wurde in einer mehrstündigen Aktion von Hand sortiert. Die Ausbeute verpackten wir fein säuberlich in Alufolie und kühlten sie bei -70 °C, um sie für die später durchgeführte Schadstoffanalytik zu konservieren.
Sonnenuntergang am Äquator

Herrliche Sonnenauf- und -untergänge entschädigten uns von derlei stupider Sortiertätigkeit. Für Abwechslung sorgten auch die "fliegenden Fische", die das Schiff über weite Strecken begleiteten. Sie schnellten aus dem Wasser empor und legten (geschätzt) 20 - 30 m in der Luft zurück, bevor sie wieder ins Wasser eintauchten und sich bis zum nächsten "Luftsprung" unsichtbar machten.

Der Haifisch umkreist das Schiff Auf einer Station südlich des Äquators fuhren wiederum einige Personen mit dem Schlauchboot, um in einiger Entfernung Wasserproben zu nehmen. Plötzlich tauchte ein Hai in der Nähe auf, der die Polarstern neugierig (wohl eher hungrig) umschwamm. Wir versuchten, die Schlauchbootfahrer auf diese Gefahr aufmerksam zu machen, doch sie glaubten uns nicht und hielten unsere Gebärden für einen Scherz. Erst nachdem sie wieder an Bord zurückgekehrt waren und mit eigenen Augen die Schwanzflosse sahen, wurden sie plötzlich sehr ruhig. In den folgenden Minuten konnten wir die Schlauchbootfahrer anhand ihrer vornehmen Blässe eindeutig identifizieren.
Die Matrosen machten sich einen Spaß daraus, den Hai mit blutigen Fischkadavern zu provozieren. Abschließend beförderten sie eine leere, vorher mit Blut beschmierte und an einer starken Windenkette befestigte Blechtonne ins Wasser. Der Hai verbiss sich derart darin, dass man ihn anschließend zusammen mit der Tonne an Deck ziehen konnte. Da hing er nun in der Luft, wild zappelnd, aber nicht loslassend. Ein ganz mutiger Matrose "schlitzte" dem Hai den Bauch auf, so dass dieser langsam ausblutete. Es war ein Weißspitzenhai mit einer geschätzten Länge von 2,50 m. Sein Magen war, wie wir beim Zerkleinern feststellen konnten, ratzekahl leer.... Er/Sie (?) muss verdammt hungrig gewesen sein. Als die Schlauchbootfahrer dies bemerkten, wurden sie noch ein wenig blasser. Am nächsten Tag gab es Haifischsteak, aber ehrlich, mir hatte es nicht sonderlich geschmeckt.

Die fällige Äquatortaufe wurde von Poseidon und seiner Gefolgschaft durchgeführt. Dieses einmalige Erlebnis war schön matschig und schmierig und etwa igitt, aber seeeehhhhrrrrr lustig, ne echte Gaudi halt. Leider habe ich von dieser Prozedur keine Bilddokumente, da meine Kamera aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit "streikte". Vor der eigentlichen Zeremonie wurden alle Täuflinge im Windenraum eingesperrt und anschließend einzeln herausgezerrt. Nun wurden wir von Neptuns Anhängern gezwungen, einige mehr oder minder angenehme Dinge über uns ergehen zu lassen. Bei der Erinnerung daran schüttelt es mich noch heute. Ich wurde auf den Namen Halobates (= Wasserläufer) getauft.

Die Zeit verging wie im Fluge beim Neuston sortieren, faulenzen, lachen, Wasser und Himmel anschauen.

Die "Polarstern" kämpft sich durch die stürmische Biskaya Die Biskaya ließ sich ihren Ruf nicht nehmen: wir bekamen noch kräftig ein's auf die Mütze: es herrschten hier Windstärken zwischen 10 und 12, bevor wir (sorry, meine natürlich die "Polarstern") uns in ruhigere Kanalgewässer durchkämpfen konnten.
Ein U-Boot in der Wesermündung Nachdem wir in der Wesermündung den Lotsen an Bord genommen hatten, begegnete uns in der Weser ein aufgetaucht fahrendes, englisches U-Boot.

Was macht so ein U-Boot in einem kleinen Fluss, der Weser heißt???
Diese Frage hatten sich einige Leute gestellt, eine Antwort haben wir bisher noch nicht erhalten.

Kurz darauf kam Bremerhaven in Sicht und nach dem Anlegen wurden die meisten Teilnehmer von ihrer/n Liebsten erwartet.

So war es auch bei mir, meine Frau Astrid stand mit Hendrik, unserem inzwischen auch schon 16 Jahre alten Sohn (Leute, wie die Zeit vergeht!) am Kai und wartete. Hendrik war damals knapp 1 Jahr alt. Er interessierte sich überhaupt nicht für seinen wild gestikulierenden, um Aufmerksamkeit heischenden Vater, sondern schaute nur demonstrativ in Richtung Schiffstechnik und ignorierte mich ganz einfach.

Irgendwie war ich froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

 

Falls Sie an weiteren Informationen über das Forschungsschiff der Bundesrepublik Deutschland interessiert sind, folgen Sie dem Link http://www.awi-bremerhaven.de