"Alle Jahre früher"
(Quelle: SCOPE, Dortmund)

 Alle Jahre früherMontag, 13. Oktober: Schönster Altweibersommer - noch einmal Menschen in T-Shirts und Sandalen in den Straßencafes und Biergärten. Bisher keine besonderen Vorkommnisse in der Schloss-Straße. Dann aber kommt um 10:47 Uhr der Befehl von Oldi-Geschäftsführer Erich B.: "Fünf Paletten Lebkuchen und Spekulatius in den Eingangsbereich!" Von nun an überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst reagiert der Maximal-Chef Martin O. eher halbherzig mit einem erweiterten Kerzensortiment und Marzipankartoffeln an der Kasse. 15:07 Uhr: Adeke Marktleiter Wilhelm T. hat die Mittagspause genutzt und operiert mit Lametta und Tannengrün in der Wurstauslage. 16:02 Uhr: Die Filialen von Ponny und Riechelt bekommen Kenntnis von der Offensive, können aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht gegenhalten und fordern ein Weihnachts-Stillhalteabkommen bis zum 10. Oktober. Die Gespräche bleiben ohne Ergebnis.. 

Dienstag, 14. Oktober, 7:30 Uhr: Im Eingangsbereich von Kurstadt bezieht überraschend ein Esel mit Rentierschlitten Stellung, während zwei Weihnachtsmänner vom studentischen Nikolausdienst vorbeihastende Schulkinder zu ihren Weihnachtswünschen verhören. Zeitgleich erstrahlt die Kaufhausfassade im gleißenden Schein von 260.000 Elektrokerzen. Die geschockte Konkurrenz kann zunächst nur ohnmächtig zuschauen. Immerhin haben jetzt auch Wartheim, Bulle und Maximal den Ernst der Lage erkannt.

Mittwoch, 15. Oktober, 9:00 Uhr: Adeke setzt Krippenfiguren ins Gemüse. 9:12 Uhr: Maximal kontert mit massivem Einsatz von Rauschgoldengeln im Tiefkühlregal. 10:05 Uhr: Bei Riechelt verirren sich Dutzende von Kunden in einem Wald von Weihnachtsbäumen. 12:00 Uhr: Neue Dienstanweisung bei Bulle: An der Käsetheke wird mit sofortiger Wirkung ein "Frohes Fest" gewünscht. Die Schlemmerabteilung von Wartheim kündigt für den Nachmittag Vergeltungsmaßnahmen an.

Donnerstag, 16. Oktober, 7:00 Uhr: Kurstadt schaufelt Kunstschnee in die Schaufenster. 8:00 Uhr: In einer eilig einberufenen Krisenversammlung fordert der aufgebrachte Ponny-Boss Walter T. von seinen Mitarbeitern lautstark "Weihnachten bis zum Äußersten" und verfügt den pausenlosen Einsatz der von der Konkurrenz gefürchteten CD "Weihnachten mit Mireille Matthieu" über Deckenlautsprecher. Der Nachmittag bleibt ansonsten ruhig.

Freitag, 17. Oktober, 8:00 Uhr: Anwohner der Schloss-Straße versuchen mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung die nun von Wartheim angedrohte Musikoffensive "Heiligabend mit den Flippers" zu stoppen. 9:14 Uhr: Ein Oldi-Sattelschlepper mit Pfeffernüssen rammt den Posaunenchor "Adveniat", der gerade vor Kurstadt zum großen Weihnachtsoratorium ansetzen wollte. 9:30 Uhr: Oldi dementiert, es habe sich bei der Ladung nicht um Pfeffernüsse sondern um Christbaumkugeln gehandelt. 18:00 Uhr: In der Stadt kommt es kurzfristig zu ersten Engpässen in der Stromversorgung, als der von Tingelmann beauftragte Rentner Erwin Z. mit seinem Flak-Scheinwerfer Marke "Varta Volkssturm" den Stern von Bethlehem an den Himmel zeichnet.

Samstag, 18. Oktober: Die Fronten verhärten sich; die Strategien werden zunehmend aggressiver. 10:37 Uhr: Auf einem Polizeirevier meldet sich die Diabetikerin Anna K. und gibt zu Protokoll, sie sei soeben auf dem Bulle-Parkplatz zum Verzehr von Glühwein und Christstollen gezwungen worden. Die Beamten sind ratlos. 12:00 Uhr: Seit gut einer halben Stunde beschießen Kurstadt, Adeke und Maximal die Einkaufszone mit Schneekanonen. Das Ordnungsamt mahnt die Räum- und Streupflicht an. Umsonst! 14:30 Uhr: Teile des Stadtbezirks sind unpassierbar. Eine Hubschrauberstaffel des Bundesgrenzschutzes beginnt mit der Bergung von Eingeschlossenen - Menschen wie Du und ich, die nur mal in der schönen Herbstsonne bummeln wollten.

Na dann: Frohe Weihnachten!